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Glauben und Magie in Norddea


von Fingal Morgenstern


Dem, der zum ersten Mal Ländern nach Norddea kommt und mit wachen Sinnen durchs Land reist, wird schon bald auffallen, dass es wenig sichtbare Zeugnisse für den Glauben der dort lebenden Menschen und anderen Völker gibt. Es finden sich weder prächtige große Tempel noch ausgedehnte Klosteranlagen oder eindrucksvolle Akademie magischer Zirkel. Und das liegt nicht an den Zerstörungen während der langen Kriegswirren, die das Land gequält haben, sondern eher an dem nüchternen Wesen der Bewohner Norddeas. Und doch gibt es auch in Norddea wie in allen Ländern und Völkern eine Ahnung davon, dass mehr Geheimnis ist als Begreifbares. Nur wird das in Norddea in sehr schlichter und zurückhaltender Weise erinnert.

Die auffälligste der verehrten Gottheiten ist Kosman. Kosman wird dargestellt als schwer bewaffneter berittener Krieger, er ist wie das Abbild eines gerüsteten norddeanischen Adeligen. Und als Schutzherr der Ordnung und des Krieges steht er im Grunde auch für nichts anderes als die Adelsherrschaft, die in Norddea von selbstbewussten freien Bauern immer in Frage gestellt wurde. Auch viele Reiterhirten des Velts verehren Kosman als ihren Patron, freilich ähnelt er eher für sie eher seinen dortigen Verehrern und trägt statt Schwert oder Lanze die lange Peitsche. Kosman war wohl ursprünglich vor allem der Ahn- und Schutzherr des im Westen Norddeas mächtigen und uralten Adelshauses der Rhauda.

Wohl eher Schutzpatrone des Hauses Roermond, das an der westlichen Küste seine Besitzungen hat, waren “die strengen Eltern“, dargestellt stets mit ernsten Minen und schwarzer Kleidung. Sie achten bei Mann und Frau und Kind auf gesittetes Benehmen, auf Fleiß und Anstand. Mittelpunkt ihrer Verehrung ist heutzutage Westermund, und diese Verehrung erscheint dem Fremden als eine recht freudlose und missvergnügte Glaubensweise.
Zunächst unter den Fischern und Seeleuten und vor allem in Grisham verehrt und angerufen wurde “der Fischer“. Er rettet die im Lieben in der Not mit seinem Netz vor den Fluten. War damit ursprünglich nur das Meer gemeint, so hat sich die Verehrung des Fischers dann auch weiter verbreitet unter der Landbevölkerung, und dort wird er auch zum Retter aus den Todesfluten. Seine Verehrung ist darum vor allem auch mit Bestattungen verbunden.

Die verbreitetste Verehrung aber gilt “den Leisen“. So nennt man unter den Menschen Norddeas die Schutzgottheiten der Familie und des Landstriches, sie sind wohl verwandt mit jener Erfahrung und Beziehung, die man in meinem Volk mit “den Ahnen“ verbindet. In fast jedem Hof und Haus findet sich ein stiller Winkel, in dem man bildlos die Leisen verehrt, mit einer Blume, einem Stück Brot, einem Glas Met.

Über die Glaubensvorstellungen der anderen Völker Norddeas konnte ich bislang nichts Verlässliches herausfinden. So weiß ich nicht wirklich., ob die Moorelben die für die meisten Elbenvölker typische Verachtung für die menschlichen Glaubensvorstellungen teilen oder ob sie, wie mir manche erzählt haben, die Große, sich selbst verzehrende Sumpf-Schlange Hlocalta anbeten.
Die Waldzwerge verehren den Herrn des Waldes, aber da das auch der Titel ihres Fürsten ist, weiß ich nicht, ob sie ihren Anführer anbeten oder ob der ihnen als Verkörperung jener göttlichen Wesenheit gilt.  
Die Mächte und Dämonen der Berg-Orks sind so grausam, blutgierig und willkürlich, wie die Orks selbst den anderen Völkern erscheinen. Mir scheint allerdings, dass sie diese Eigenschaften weniger bewundern und anstreben als das Leben so hart erfahren und fürchten.

 

Abschließend noch ein Wort zur Magie: während in meinem wie den meisten elbischen Völkern Magie als eine in uns verborgende Begabung gilt, die aber nicht erlernt wird, sondern sich ergibt oder auch nicht, wird in den meisten Menschen-Reichen der Magie sehr viel Beachtung geschenkt, sei es, dass sie verpönt und verboten ist, sei es, dass sie mit großem Aufwand in stolzen Akademie erforscht und gepflegt wird. Beides konnte ich in Norddea bislang nicht entdecken. Ich bin nicht auf ein ausgesprochenes Magie-Verbot gestoßen, aber auch kaum auf Magier, und wenn, so waren sie Zugereiste. Ob die Norddeaner keine magische Begabung haben oder sie einfach keine Zeit auf etwas so wenig Handfestes verwenden, muss ich noch herausfinden. Was ich aber jetzt schon spüre ist, dass das Land wenig magische Schwingungen verstärkt, es gehört ganz gewiss nicht zu jenen Orten und Landschaften, die vollgezogen mit geheimnisvollen Kräften sind.

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