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Kurze Beschreibung und Geschichte
des Königreiches Norddea


von Fingal Morgenstern

 


Als mich mein Weg nach langen Jahren der Wanderung nach Norddea führte, nahm mich der Herrscher jenes Landes, König John, gastfreundlich auf und ließ mich eine neue Heimat finden. Zum Dank will ich versuchen, aufzuschreiben, was ich über das Land und seine Geschichte in Erfahrung bringen konnte.
Das Land Norddea ist nicht all zu groß, seine Ausdehnung von der südlichen  Grenze bis zum Meeresufer im Norden beträgt gut 100 Meilen, von den westlichen bis zur östlichen Grenze ist die Strecke eher noch ein wenig kürzer.
Das Land Norddea ist recht abgeschieden, es liegt abseits der großen Handelsstraßen und wird aufgrund seiner blutigen Geschichte, über die ich später berichten werde, auch wenig von Fremden besucht. Erst allmählich, seid im Land wieder Ruhe und Frieden herrscht, kommen verstärkt Händler und Reisende nach Norddea. 
Im Norden grenzt Norddea an das Graue Meer, das wegen seiner Stürme und des dann häufigen Eisgangs nur die den warmen Jahreszeiten von Schiffen aus anderen Ländern befahren wird. Die Südgrenze bilden die Eisenberge, zwei Pässe führen durch dieses Bergland, beide sind im Winter kaum begehbar.
Die Ost- wie die Westgrenze bilden Flüsse, die von den Eisenbergen herab ins Graue Meer fließen, sie heißen nur Westlicher und Östlicher Fluss, Namen, die zeigen, dass die Menschen von Norddea ziemlich handfest und nüchtern sind und wenig poetische Neigungen haben. In der Alltagssprache werden sie Westel und Ostel genannt. Beide Flüsse sind fischreich, aber auch recht reißend und außerhalb der Furten und wenigen Brücken nicht leicht zu überqueren.
 
Das Land Norddea zerfällt in 5 Gaue oder „Landschaften“.  Im Norden, an der Küsten und im küstennahen Marschland, siedelten übers Meer kommend vor allem die Menschen. Obwohl das Wetter in Norddea recht unbeständig und kühl ist, ist das Graumeerland oder die Graue Marsch sehr fruchtbar, weniger für den Ackerbau – hier wachsen nur Wintergerte und Buchweizen – als für die Viehzucht. Große Rinder und Schafherden sind der Reichtum des Landes, und Leder und Wolle zählen zu den wichtigsten Handelsgüter Norddeas. 
Seefahrt und Fischfang spielen keine besonders große Rolle, auch gibt es mit Nordhaven nur einen wirklich bedeutenden Hafen- und Handelsplatz. Auch die Jagd verliert zunehmend an Bedeutung, im Graumeerland gibt es nur wenige nicht sehr große Wälder. Bemerkenswert jedoch ist das handwerkliche Geschick der Menschen von Norddea, vor allem die Schmiedekunst ist hoch entwickelt. 
An den Flussläufen der Westel und Ostel dehnt sich das fruchtbare Land noch weiter nach Süden aus, zu beiden Seiten der Nebelmoore. An der Westel liegt eine weite Grasebene, „das Velt“ genannt, auf der große Rinderherden von berittenen Hirten bewacht werden. Am linken Ufer der Ostel liegen die sehr wildreichen Grünen Hügel, die zum Teil mit Laubwald bedeckt sind.

Außer Nordhaven, und auch das ist eher ein Handelsplatz als eine Stadt im üblichen Sinn, gibt es keine wirklich großen Ansiedlungen in Norddea. Die Menschen leben in Dörfern oder auf Landgütern. In den Dörfern nahe der Küste leben freie Bauern, die ihre Unabhängigkeit stolz und zäh verteidigen. Im Hinterland hat in den unruhigen Jahrhunderten der Landadel weitgehend die Macht ergriffen und herrscht oft genug recht willkürlich über die Pächter und Leibeigenen. 
Die Menschen von Norddea sind zäh, eigensinnig, aufrecht und fleißig, seit dem Landfrieden haben sie in erstaunlich kurzer Zeit das verwüstete Land wieder aufblühen lassen, so dass heute durchweg bescheidenen Wohlstand, ja mitunter sogar gediegene Wohlhabenheit zu finden ist, vor allem auf den Herrensitzen.

Wolfsfell, der Herrensitz König Johns, gewinnt immer mehr eine besondere Rolle. Man kann ihn noch nicht als Hauptstadt bezeichnen, und in anderen Ländern würde man das Gutshaus auch kaum einen Palast nennen, aber mehr und mehr Menschen sammeln sich am Königshof, nicht nur die Gefolgsleute und Diener des Königs, sondern auch Handwerker, Händler, Gelehrte und Gesandte.
Auffällig für einen Reisenden ist sicher auch, dass es in Norddea weder prächtige Tempel noch große Klöster gibt, weder eine mächtige Priesterschaft noch einflussreiche Orden. Auch die Verehrung der Mächte scheint bei den Menschen von Norddea so schlicht und bodenständig wie ihr ganzes Wesen. 
Während ich das Graumeerland  schon besuchen und durchwandern konnte, kenne ich die vier anderen Landschaften nur vom Hörensagen.
Vor der Küste, aber in Sichtweite des Landes, liegt eine Insel, die Menschen von Norddea nennen sie einfach die Große oder Troll-Insel. Dort leben Meertrolle, weniger auf als in der Insel, die von natürlichen Höhlen und künstlich angelegten Tunneln durchzogen ist. Die Meertrolle sind großartige Schwimmer und können sehr lange, angeblich bis zu einer Stunde, unter Wasser die Luft anhalten und tauchen. Sie sind Fischer und Muschelsammler, ihre Werkzeige und Waffen sind als Stein und Vulkanglas, wohl auch, weil andere Werkstoffe im salzigen Wasser schnell verrotten würden.  Obwohl die Trolle in Norddea nicht so verrufen sind wie sonst – und tatsächlich, so meine eigene Erfahrung, kann man mit etwas Freundlichkeit durchaus mit Trollen umgehen -, wagt sich kaum einmal einer aus einem anderen Volk auf diese Insel, während Trolle nicht selten an die Küste kommen.
Im Süden geht das Marschland mehr und mehr in ein Sumpfland über, das die Schwarzen Moore oder auch Nebelmoore genannt wird. Dort lebt ein Volk, das von den Menschen in Norddea „Moorelben“ genannt wird. Sie selbst nennen sich wohl „Hrovarim“. Ich konnte bislang nur mit wenigen von ihnen sprechen und dabei nicht herausfinden, ob das der Name einer Sippe oder eines Clans ist oder ob das ganze Volk so genannt wird. 
Es scheint mir so, als ob jeder Clan eher für sich lebt, einen gemeinsamen Anführer haben die Clans der Moorelben wohl nicht. Die Moorelben oder Hrovarim haben fast alle braunes Haar und eine goldbraune Hautfarbe, sie sind bekannt als Heiler, das es in den Mooren viele Heilkräuter gibt, aber auch gefürchtet als Giftmischer.  Die Menschen erzählen, sie lebten auf einer schwimmenden Insel, ich denke aber, sie werden nur die sicheren Plätze im Moor kennen, während Ortfremde kaum allein durch die Sümpfe finden können.
Ob die Moorelben wirklich ein elbisches Volk sind, vermag ich nicht zu sagen. Zar hat ihre Sprache eine gewisse entfernte Ähnlichkeit mit mir bekannten elbischen Sprachen, aber vieles, was für die elbische Lebensweise typisch ist, scheint bei ihnen zu fehlen: die Liebe zur Musik und Poesie und zu allem Schönen, das Wissen um die Geheimen Kräfte, die Erinnerung an die eigene Herkunft und Bestimmung.
Hat man die Nebelmoore durchquert, so gelangt man in ein großes Waldgebiert, einen dunklen und weitgehend undurchdringlichen Urwald, vor allem aus uralten Nadelbäumen, den man in Norddea den Schattenwald nennt. Dort lebt ein Volk, dass die Menschen von Norddea „Waldzwerge“ nennt, sie selbst scheinen sich Kastaurad zu nennen, wieder weiß ich nicht, ob das ein Clan-Name ist oder ob sich das ganze Volk unter diesem Namen als Gemeinschaft versteht. Diese Waldzwerge haben wenig Ähnlichkeit mit den Zwergen, die ich sonst kennengelernt habe, sie sind etwa 5 Ellen hoch und damit etwas größer, dafür aber drahtiger und weniger untersetzt – und sie haben auch nur selten Bärte. Auch ist ihre Lieblingswaffe der Bogen, sie sind hervorragende Jäger und Waldläufer, klettern wie die Eichhörnchen und springen sogar von Baum zu Baum. Aber sie graben nicht in der Erde nach Metallen und scheinen sie auch nicht zu verarbeiten. Wenn das nicht zu abwegig wäre, könnte man sie für ein Mischvolk aus Zwergen und Waldelben halten.

In äußersten Süden, in den Eisenbergen, leben Orks. Vor langer langer Zeit als noch junger Krieger bin ich von Südwesten kommend mit einem Spähtrupp in den Eisenbergen gewesen, die Orks dort, wir nannten sie damals Berg-Orks oder Braune Orks, waren nicht so blutrünstig und wild wie die Schwarzen Orks, man kann mit ihnen durchaus verhandeln, und einer ihrer Häuptlinge, Shurrak, war mir vor mehr als 200 Jahren ein Freund und Schwertbruder.
Die Orks sind natürlich gute und ausdauernde Krieger, aber auch tüchtige Steinmetze. Ihren Hauptort haben sie in den höchsten Berg der Eisenberge, den Drachenzahn, hineingebaut. 
Heute leben die fünf Völker auf recht kleinem Raum doch friedlich mit- oder zumindest nebeneinander. Aber das ist erst seit recht kurzer Zeit so, und ob es aus wirklicher Einsicht geschieht oder weil ein starker König Gesetz und Ordnung sichert, das ist kaum zu entscheiden.

Die Geschichte von Norddea ist nämlich überaus blutig und unglücklich. 
Die ältesten Nachrichten stammen wohl aus der Zeit, als Menschen sich übers Meer kommend  an der Küste ansiedelten. Das mag vor 1000 Jahren gewesen sein oder vielleicht auch erst vor 500, die wenigen erhaltenen alten Schriften heben darüber kaum verlässliche Auskunft. Ein Seekönig soll die Menschen ins Land geführt haben, er soll angeblich Derg geheißen haben, Norddea bedeute also Dergs Norden. Aber all das ist nebelhaft. Die Siedler waren wie ihre Nachfahren zäh und fleißig, aber bald schon kam es zum Streit mit den anderen Bewohnern des Landes. Und auch innerhalb der Menschen gab es immer wieder erbitterte Kämpfe zwischen verschiedenen Adelsfamlien um Macht und Einfluss, und auch zwischen Adel und freien Bauern schwelte ein ständiger Streit. So war das Land in ständiger Unruhe, und niemandem gelang es, die Zwistigkeiten zu beenden. Doch wirklich schlimm wurde es, als sowohl die wilden Stämme der Nordmarken wie auch die reichen Handelsherren der östlichen Seestädte entdeckten, dass Norddea aufgrund seiner inneren Streitereien schutzlos war, und so kamen sie, um zu plündern und zu rauben. 
Und nicht nur das prächtige Vieh war eine begehrte Beute, nein, noch mehr die Menschen, die – zäh und fleißig, wie sie waren -als besonders gut geeignet für jede Sklavenarbeit galten. Jahr um Jahr kämpften nun nicht nur die Völker gegeneinander und innerhalb der Völker und Gaue die Clans gegeneinander, Jahr um Jahr fielen im Frühsommer auch die fremden Plünderer ein und raubten Menschen und Tiere.
Norddea schien nicht mehr zu retten. Immer tiefer drang das Raubgesindel mordend und brandschatzend in das Land ein, nicht nur von See her, sondern nun fuhren sie auch die Flüsse hinaus. So überfielen sie auch einen Herrensitz nicht weit vom Nebelmoor entfernt, töten den Baron und seine beiden älteren Söhne und raubte seine einzige Tochter. Der jüngste Sohn John, war nicht auf dem Hof, so überlebte er als einziger aus seiner Familie, aber er erbte nichts als rauchende Trümmer und ein verwüstetes Land. Auch die Hauskarls, die Leibwächter seines Vaters, waren alle ums Leben gekommen. 
Da rief John die versprengten Pächter und Leibeigenen zusammen und schloss mit ihnen einen Bund. Er gab ihnen ihre Freiheit und ihr Land zurück, sie sollten wieder freie Bauern sein auf eigenem Land, aber sie sollten mit ihm die Heimat verteidigen. Und John begab sich allein ins Nebelmoor und konnte mehrere Clans der Moorelben dafür gewinnen, mit ihm in den Kampf gegen die Eindringlinge zu ziehen. Dann folgte er mit seinem Bauernheer, einigen Freunden aus dem Adel und etlichen moorelbischen Bogenschützen dem Söldnertrupp, der sein Heim zerstört hatte. Und es gelang ihm, die Feinde zu überrumpeln und zu vernichten. Das war der erste norddeanische Sieg seit Menschengedenken. 
Nun strömten mehr junge Adlige, mehr Bauernkrieger und auch viele Moorelben zu seinem Banner, das einen Wolfskopf zeigte. Und in Argos fand John einen tüchtigen und verlässlichen Feldhauptmann, so dass sie nun mit zwei Heeren den Feinden entgegentreten konnten. Im Jahr nach der Schlacht stießen die Sklavenjäger auf unerwarteten Widerstand, John und Argos besiegten eine Bande nach der anderen. 
Im Folgejahr vereinten die unterschiedlichen Feinde ihre Kräfte und steuerten mit einer großen Flotte aus 22 Schiffen die Küste Norddeas an. Aber John setze allein zur Trollinsel über und gewann die Meertrolle für ein Bündnis.  Und mit ihrer Hilfe konnte er bei Nordhaven eine entscheidende Doppelschlacht  schlagen und gewinnen. An Land hielt seine Schlachtreihe dem Ansturm der Fremden stand, die Meertrolle aber griffen unter Wasser die feindlichen Schiffe an und versenkten die meisten von ihnen. Und als ihre Schiffe sanken oder flohen, da wandten sich die Feinde zur Flucht, viele wurden erschlagen, viele ertranken, nur wenige kamen davon.
Nach diesem Sieg schlossen sich immer mehr Gutsheeren und freie Dörfer Johns Bewegung an, und nun schickten auch die Waldzwerge und die Orks erst Gesandtschaften, dann Hilfstruppen. 
Im folgenden, dem vierten Jahr des Befreiungskrieges, kam es zu einer letzten Schlacht gegen eine Söldnerarmee und nordmannische Stammeskrieger an der Großen Ostel-Brücke, wieder siegte John. Die besiegten Handelsherren und Nord-Häuptlinge baten nun nicht nur um Frieden, sondern zahlten auch eine erhebliche Entschädigung für das, was sie angerichtet hatten.
Noch auf dem Schlachtfeld rief die Armee John zum König des Vereinten Königreiches von Norddea aus, und niemand im Land wagte, diesen Anspruch öffentlich zu bestreiten.
Die Kriegsbeute und die Zahlungen verwandte der neue König, um die zerstörten Dörfer, Gutshäuser und Werkstätten wieder aufzubauen. Und um den Frieden zu sichern, gründete er den Wolfsorden, dessen Mitglieder aus allen Völkern Norddeas stammen. Der Wolfsorden soll die Grenzen des Reiches schützen, aber auch im Inneren Unrecht und Unterdrückung bekämpfen. Wie es im Lied des Wolfs-Ordens heißt:
Hüter der Heimat, Schützer der Schwachen,
trotzend jeder Tyrannei,
doch bis zum Tod dem König treu,
Ehre den Wölfen, Ehre den Wölfen,
die über Norddea wachen.

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